What goes up must come down / Bodenarchiv

Geladener Kunst am Bau Wettbewerb, 3. Platz, TEAM TAU Tina Born & Enrico Niemann
»Berlin Postblock Süd, Neubau für ministerielle Nutzung und Wohnen«, Berlin, 2025

Vergleichbar mit einem Wendebild, bei dem durch Drehung um 180 Grad eine andere, neue Bildaussage entsteht, stellen wir ein exaktes Architekturmodell des Postblocks Süd auf den Kopf. Darauf setzen wir, den Abmessungen des verkleinerten Gebäudes folgend, einen zweiten, in Form gebrachten (Bau) Körper aus Bausand. Dieser wurde dem Baugrubenaushub des Postblock-Areals Süd entnommen. Der Sand (Bau)- Körper, jetzt „on top“, versinnbildlicht das Gedankengebäude, das wir entstehen lassen wollen: Es hebt den Untergrund, der unter normalen Umständen nicht zu sehen ist, auf die Betrachtungs- und Betrachter*innen Ebene. Gleichzeitig steht die „Umkehrung der Verhältnisse“, über geologische Transformationsprozesse hinaus, für universellen Wandel und Veränderung.

Innerhalb unseres Entwurfskonzeptes ist es unser Anliegen das neue Gebäude mit der spezifischen Ortsgeschichte zu verbinden. Ebenso ist der Akt des Bauens, des Verdrängens und Errichtens für uns Ausgangspunkt universeller Betrachtungen. Es gibt verschiedene Indikatoren und Verfahren anhand derer Aussagen über die Geschichte eines Ortes getroffen werden können.
Wir haben uns für den Boden unter dem Gebäude entschieden. Jener schwerkraftbedingten Basis, die nicht nur den ministerialen Block, sondern letztlich uns alle trägt, bindet und erdet.
Kommt es zu einem Neubau, ist zunächst ein Aushub nötig. Die Materie, die dafür bewegt wird, ist jene vergleichsweise dünne, mit Lebewesen, Wasser und Luft durchsetzte, fragile und lebensnotwendige Schicht, die wir gemeinhin Boden nennen.
Welche ortsspezifischen Marker finden sich im Erdreich unter dem neuen Gebäude?
Welche Aspekte weisen innerhalb unseres Betrachtungsfeldes über den Ort hinaus?
Böden besitzen ein hohes Erinnerungsvermögen.
Einflüsse durch menschliche Eingriffe oder Klima Änderungen werden in ihm gespeichert. Der Boden gibt Auskunft über die kulturelle Entwicklung der Menschheit sowie aktuelle und historische Prozesse.
Boden, Fläche, (Bau) Grund ist weltweit, angesichts zunehmender Verdichtung und Versiegelung, ein immer knapper werdendes, heiß umkämpftes Gut. Die Menge an Erde, die ein Bagger in einer Minute ausgräbt, hat viele Jahrhunderte benötigt, um "Boden" zu werden. 15.000 Jahre dauert es im Durchschnitt, bis ein Meter Boden entsteht. Wir verlieren Boden.
Wir denken unser Entwurfskonzept in zweierlei Richtung: zum einen möchten wir ganz konkret schauen, wie es um den Boden unter dem Gebäude bestellt ist und welche Rückschlüsse sich darin finden lassen auf aktuelle und vergangene Geschehnisse. Zum anderen erachten wir es als wichtig, die Architektur, den Büro- und Wohnblock, also das, was an der Oberfläche zu sehen sein wird, gedanklich im Boden zu verankern, einzubetten und ihm durch reflektierende Betrachtung Tiefe, Gewicht und Tragweite zu verleihen.
Das Feld ist hierfür vergleichsweise klein, 50.000 m2 Nutzfläche, aber schnell berühren wir erdgeschichtliche Zeitdimensionen, die menschliches Tun und Streben relativieren und gleichzeitig den (Stadt)Boden unter unseren Füssen, nicht unbedingt im Fokus unserer alltäglichen Wahrnehmung, sinnlich erfahrbar machen.